Alter Garten

Am 23.10.1989 plante das Neue Forum die erste Montagsdemonstration in Schwerin.
Auf Flugblättern riefen sie zur Teilnahme auf und forderten die Zulassung des Neuen Forums und der anderen demokratischen Initiativen, Presse und Informationsfreiheit, demokratische Wahlen unter UNO-Kontrolle, Demonstrationsfreiheit, Reisefreiheit und das Durchsetzen des Leistungsprinzips in allen Ebenen.1 Erwartet wurden 6000 bis 10.000 Teilnehmer.
Zunächst war es von der Staatssicherheit angedacht, potenzielle Teilnehmer an der Demonstration abzuschrecken. „Vorbeugungsgespräche“ mit den Organisatoren, „Einflussnahme auf Staatliche Leiter“ sowie die „Verhinderung der Anreise von oppositionellen Kräften“ sollten den Erfolg der Demonstration eindämmen. Allerdings wurde dieser Plan schon am nächsten Tag verworfen. Stattdessen plante die SED eine Gegenkundgebung zur selben Zeit, am selben Ort unter dem Titel „Dialog und Tat - gemeinsam für Erneuerung in unserem Land!“ Es sollten alle Mitglieder der SED und alle Werktätigen teilnehmen, um „den Kampf um die weitere Ausgestaltung der sozialistischen Gesellschaftsordnung […] und den umfassenden Schutz unserer Errungenschaften und unserer Bürger vor jeglichen feindlichen Angriffen“ zu führen. Dazu wurden alle Betriebe benachrichtigt, ihre Mitarbeiter zu verpflichten, an der Kundgebung teilzunehmen. Teilweise wurde sogar das Mitbringen des Ehepartners angewiesen, was auf Ablehnung stieß.2

Ereignisse:
17:00 Uhr: Zu Beginn der Kundgebung haben sich 15.000 bis 20.000 Menschen auf dem Alten Garten versammelt. Auf der Tribüne vor der Siegessäule hält zunächst der 1. Sekretär der SED Bezirksleitung, Heinz Ziegner, eine Rede. Die Zahl der Teilnehmer steigt auf 40.000 an.
Bild © by Lothar Steiner
gegen 17:30 Uhr: Die Demonstranten des Neuen Forums kommen auf der Treppe des Museums zusammen. Nun werden freie Wahlen, Reisefreiheit und die Zulassung des Neuen Forums gefordert, auch von immer mehr Menschen, die von der SED zum Alten Garten beordert wurden. Schließlich flüchtet Heinz Ziegner in den Kohlekeller der Bezirksleitung und der Demonstrationszug setzt sich in Bewegung3. Immer mehr Menschen folgen dem Neuen Forum, auch Mitglieder der SED.

Zunächst ging es die Werderstraße entlang bis zur Kreuzung Amtstraße. Dann bog der Demonstrationszug links ab und führte weiter, die Kirchenstraße, an der Schelfkirche vorbei und die Gaußstraße hinab zum Pfaffenteich. Dann ging es links um den Pfaffenteich herum und am Arsenal vorbei, wo viele Demonstranten ihre Kerzen abstellten. Der anfängliche Versuch der Polizisten, die Kerzen weg zu treten, scheiterte aufgrund der Hartnäckigkeit der Demonstranten und der hohen Anzahl der Kerzen. Die Menschen gingen weiter um den Pfaffenteich herum bis zur Einmündung der Röntgenstraße in die August-Bebel-Straße. Von dort maschierten die Teilnehmer durch die Röntgen-, Tauben- und die Lehmstraße zurück in die Werderstraße in Richtung Alter Garten. Danach verammelten sich einige Demonstranten vor der Bezirksleitung und wollten mit den SED-Funktionären sprechen, von denen sich aber keiner sehen ließ.


Neues Forum

AUFRUF ZUM SCHWEIGEMARSCH
FRIEDLICH UND GEWALTLOS

fordern wir:
1. Zulassung des NEUEN FORUM und der anderen demokratischen Initiativen
2. Presse und Informationsfreiheit
3. demokratische Wahlen unter UNO-Kontrolle
4. Demonstrationsfreiheit
5. Reisefreiheit
6. Leistungsprinzip in allen Ebenen durchsetzen

Heute rufen wir alle an Veränderungen interessierte Bürger auf, Demokratie und offene Meinungsäußerung jetzt und überall im Betrieb, in der Familie und auf der Straße zu praktizieren.

Treffpunkt: Alter Garten 17.30 Uhr [30.10.1989]

NEUES FORUM Schwerin



Quellen:

1 http://www.ddr89.de/ddr89/nf/NF157.html
2 Süß, Walter: Staatssicherheit am Ende: Warum es den Mächtigen nicht gelang, 1989 eine Revolution zu verhindern, Ch. Links Verlag, 08.09.2010
3 http://stasiopfer.de/component/option,com_simpleboard/Itemid,203/func,view/id,1089518047/view,flat/catid,4/
4 http://www.ddr89.de/ddr89/nf/NF157.html