Paulskirchenkeller

Organisationsort für die ersten Montagsdemonstrationen des Neuen Forums 1989

1980er – Anlaufstelle für freien Meinungsaustausch – "...ein Schutzraum für Freiheit." 1

"Fluchtpunkt"

Das war und ist er wirklich, der "Paule", liebevoll genannt von seinen Besuchern.

Sogar die Staatssicherheit bezeichnete den Paulskirchenkeller so, wie vermerkt im "Sachstandsbericht zum operativen Material 'Fluchtpunkt'" vom 29. Januar 19822.

Bild © PaulskirchenkellerGegen Claus W., den Leiter des Paulskirchenkellers, wurde ermittelt, da er angeblich zu staatsfeindlichen Aktionen aufgerufen haben sollte.
"Der Verdächtige W. organisiert zu verschiedenen Situationen und Anlässen sogenannte öffentliche kirchliche Jugendveranstaltungen sowie illegale Treffen, in denen er direkte feindliche und negative Aktivitäten und Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung bzw. gegen Teilbereiche tätigt mit dem Ziel, die Teilnehmer feindlich zu beeinflussen und sie für eine innere Opposition bzw. passiven Widerstand aufzuwiegeln."3

Doch wie sah es wirklich aus?

In den 80er Jahren war der Paulskirchenkeller bereits ein Treffpunkt für Jugendliche und junge Erwachsene, welcher bis heute geblieben ist. Diese fanden mit ihren verschiedenartigen Ansichten zumeist keinen Platz in der sozialistischen Gesellschaft. Zu diesen Gruppen zählten zum Beispiel Punker, Arbeits- oder Obdachlose sowie Ausreisewillige und Wehrdienstverweigerer. Aber auch Leute, die sich über Ökologie und Frieden eine eigene Meinung bilden wollten.4

Die Geschichte des Paulskirchenkellers begann, wie sich Claus Wergin erinnert5, in den 1970er Jahren an verschiedenen Standorten: von der Müllerstraße, der Von-Thünen-Straße über die Voßstraße bis hin zur Apothekerstraße in der "Alten Oase". Aufgrund seiner wachsenden Beliebtheit wurde der Platz in der Apothekerstraße mit der Zeit immer enger, eine Alternative als Treffpunkt musste her. – Im Keller der Paulskirche war zu dieser Zeit noch die Dombibliothek aus Ratzeburg eingelagert. Diese sollte jedoch den Standort wechseln, da der Keller als "nicht geeignet" für die Hunderte von Büchern empfunden wurde.
Die Anhänger des Jugendtreffs entschieden sich für den Einzug in den frei werdenden Keller.

Die Stadt sagte dem gestellten Bauantrag zu, jedoch nur unter Bedingungen, die normalerweise kaum erfüllbar gewesen wären. Ein wichtiger Punkt war das Legen einer Zu- und Abwasserleitung. Nur durch ihren starken Willen, in den Paulskeller einziehen zu wollen, schafften es die Jugendlichen aber letztlich. 1981 nahmen sie dann ihren "Paule" in Besitz.6

Am 2. Oktober 1989 wurde das "Neue Forum" für den Bezirk Schwerin gegründet. "Die Gründungsgruppe des 'Neues Forum' Schwerin traf sich Ende 1989 jeden Mittwoch im Pauls-Kirchen-Keller und diskutierte dort offen über ihre Vorhaben."7

Die Gruppe beschloss zum 23. Oktober 1989 mit ihren Forderungen auf dem Alten Garten an die Öffentlichkeit zu gehen.

   ⇒ Alter Garten



Quellen

1 "32 und kein bisschen leise – Geschichte des Paulskirchenkellers", 2014. [Film] Regie: Sozial-Diakonische Arbeit, Evangelische Jugend, Jugendmedienbildung unter Leitung von Tobias Neumann. Land: Deutschland [Schwerin].
2 PINGEL-SCHLIEMANN, Sandra: Lebenswege ... – im Schatten des Staatssicherheitsdienstes. Hrsg.: Landesbeauftragter für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. 1. Aufl. Ort: Schwerin. Verlag: Turo Print GmbH Schwerin, 2008. Seite 117. ISBN: 978-3-933255-27-3
3 Ebd., Seite 118 f.
4 RÜCHEL, Uta: Schweriner Stadtrundgänge IV – DDR-Geschichte. Hrsg.: Landesbeauftragter für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. 1. Aufl. Ort: Berlin. Verlag: flyeralarm GmbH Geußenheim. Seite 23 ff.
5 "32 und kein bisschen leise – Geschichte des Paulskirchenkellers", 2014. [Film] Regie: Sozial-Diakonische Arbeit, Evangelische Jugend, Jugendmedienbildung unter Leitung von Tobias Neumann. Land: Deutschland [Schwerin], Zitat von Herbert Manzey.
6 http://www.ej-sn.de/kinder-und-jugendliche/orte-der-offenen-arbeit/paulskirchenkeller/
7 RÜCHEL, Uta: Schweriner Stadtrundgänge IV – DDR-Geschichte. Hrsg.: Landesbeauftragter für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. 1. Aufl. Ort: Berlin. Verlag: flyeralarm GmbH Geußenheim. Seite 25.