
Im Jahr vor der Einschulung werden Schulanfänger in Schwerin jedes Jahr beginnend im Monat November mit ihren Eltern zu einer Schuleingangsuntersuchung in das Gesundheitsamt eingeladen. Die Untersuchung ist in Mecklenburg-Vorpommern gesetzlich vorgeschrieben. Ihr Ziel ist es, Eltern zu beraten, aufzuklären und eventuell notwendige Behandlungen oder Fördermaßnahmen in Vorbereitung auf den Schulbesuch rechtzeitig einzuleiten.
Die letzte reguläre Vorsorgeuntersuchung beim Kinderarzt ist die U9 mit 5 Jahren. Die Zeit zwischen dieser Untersuchung und der Einschulung ist allerdings zu lang, um für den Schulstart aussagekräftig genug zu sein. Außerdem werden die Vorläuferfertigkeiten für das Lernen hier nur marginal betrachtet.
„Unser Kinder- und Jugendärztlicher Dienst untersucht nicht nur Kinder, die nach dem entsprechenden Alter und Jahrgang eingeschult werden sollen, sondern auch Mädchen und Jungen, die im Vorjahr zurückgestellt wurden oder die auf Wunsch der Eltern vorzeitig in die Schule gehen sollen“, erläutert Fachdienstleiterin Carolin Templin. Pünktlich zum Beginn der Schulanmeldungen hat das Gesundheitsamt der Landeshauptstadt erste Ergebnisse der Einschulungsuntersuchungen für das Schuljahr 2025/2026 vorgelegt: Für 82 Prozent der 980 untersuchten Kinder ist demnach eine reguläre Beschulung in der 1. Klasse empfohlen worden.
Die Untersuchungen ergaben einerseits, dass die Kinder grundsätzlich körperlich gesund bzw. medizinisch gut versorgt sind. Andererseits signalisieren sie aber schon länger vermehrte Unsicherheiten der Kinder in den vorschulischen Fertigkeiten. „Wir erleben in zunehmender Tendenz, dass zukünftige Erstklässler in der Untersuchungssituation auffällig sind. Diese Kinder profitieren manchmal von einem Jahr zusätzlicher vorschulischer Förderung. In diesem Jahrgang haben wir diese Empfehlung für 108 Kinder, also 11 Prozent, ausgesprochen.“
Die Entscheidung, ob ein Kind vom Schulbesuch zurückgestellt wird, treffen aber nicht die Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamtes, sondern Pädagogen. „Wir können aufgrund der einmaligen Untersuchungssituation nur Empfehlungen aussprechen. Die schulischen Überprüfungen finden in den Schulen selbst oder im Schulamt statt“, so die Fachdienstleiterin.
Dass die Einschuluntersuchung nach der letzten regulären Vorsorgeuntersuchung (U9) zusätzlich wichtig ist, belegen u.a. die Ergebnisse im Bereich Sehen: So waren zwar 11 Prozent der Kinder bereits mit einer Brille versorgt. Dennoch wurden weiteren 14 Prozent unter anderem aufgrund unsicherer Sehschärfe die Vorstellung beim Augenarzt empfohlen.
Auch der Bereich Sprache wird schon über Jahre mit Sorge betrachtet. Zwar waren in diesem Jahrgang 24 Prozent der Einschulkinder bereits mit einer Logopädie versorgt. Für 54 weitere Kinder wurde eine Logopädie allerdings neu empfohlen, da sie sich nicht altersgerecht artikulieren konnten. Für das Erlernen der Schriftsprache in der Schule ist dies eine wichtige Voraussetzung.
Tendenziell nicht neu, aber trotzdem auffällig: „Jedes fünfte Kind war koordinativ ungeschickt“, konstatiert Carolin Templin. „Außerdem fiel uns dieses Jahr vermehrt auf, dass die Kinder Schwierigkeiten beim Abzählen und Zuhören hatten. Auch das war leider bei mehr als jedem fünften Kind der Fall“. Mit dem Angebot einer zusätzlichen Vorschuluntersuchung bei Kindern, die noch zwei Jahre Zeit bis zur Einschulung haben, versuchen die Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamtes frühzeitig Unsicherheiten zu erkennen. Zudem erhalten Eltern und Kitas Hinweise, um die Kinder bis zur Einschulung zu stärken.
Oberbürgermeister Rico Badenschier bekräftigt den hohen Stellenwert verpflichtender Einschulungsuntersuchungen: „Diese Pflichtuntersuchung ist kein überflüssiger bürokratischer Akt, sondern gelebte Sozialpolitik. In dieser wichtigen Phase der kindlichen Entwicklung sieht der Staat einmal verpflichtend alle Kinder eines Jahrgangs unabhängig von Herkunft, Stand und Hautfarbe und kann die Eltern umfassend zu möglichen Förder- oder Unterstützungsmaßnahmen beraten, um die Kinder bestmöglich auf den Schulbesuch vorzubereiten. Es geht hier insbesondere um Bildungsgerechtigkeit und die Startchancen, die Kinder am Beginn ihres Bildungsweges haben. Die verpflichtenden Schuleingangsuntersuchungen abzuschaffen oder auch nur zu lockern, hieße, auf den Schultern der Schwächsten zu sparen. Gerade weil die Ergebnisse schon seit Jahren zunehmend Anlass zur Sorge bieten“, so Badenschier.