Die Roggenmuhme
Das Mägdlein spielt auf dem grünen Rain,
Die bunten Blumen locken.
„Nicht sieht mich die Mutter.“ – Ins Korn hinein
Schleicht sacht es au8f weichen Socken.
„Die roten und blauen Blumen wie schön!
Die will ich zum Kranz mir winden;
Doch weiter hinein ins Feld muss ich gehen,
Dort werd ich die schönsten finden.“
Und weiter eilt es. Gefüllt ist die Hand,
Da will es zurück sich wenden.
Es läuft und läuft und steht wie gebannt,
Das Korn will nimmer enden.
„Hinaus zum Rain, zum Sonnenlicht!
Wo blieb die Mutter, die süße?“
Die Halme schlagen ihm ins Gesicht,
Die Winde umschlingt ihm die Füße.
Und horch, da rauschts unheimlich bang,
Die Ähren wallen und wogen.
„Da kommt – ach, dass ich der Mutter entsprang!
Die Roggenmuhme gezogen!“
Aus Jakob Loewenberg: Abendleuchten; ausgewählte Gedichte
1926; Verlag: M. Glogau jun. Hamburg
Im Niederdeutschen bedeutet Muhme bzw. Möhm auch des Teufels Großmutter.
wenn de Düwel nich sülben kamen kann, denn schickt he sin Möhm
(wenn der Teufel nicht selber kommt, sickt er seine Großmutter)